... und dann kamen Bobo und Philip
Auf der Jagd nach Beute und dem großen Glück
Eine feine Schicht Pulverschnee lag über den Wiesen und Wäldern rund um den Badesee. Die Oberfläche des Sees war fast vollständig zugefroren. Es sah wunderschön aus für menschliche Augen; Bäume, überzogen mit weißen Eiskristallen, Wege, Wiesen, Schilf und die sich hinter immergrünen Hecken duckenden Ferienhäuser wirkten wie mit Puderzucker bestäubt. Es war ein idyllischer Wintermorgen als die Sonne an diesem Tag über dem Ostufer aufging.
Seine Pfoten jagten über den kalten, verschneiten Waldboden. Der Schnee wirbelte auf. Unter seinem Gewicht brachen kleine Zweige, trockenes Laub knisterte, Dornen piksten in die Ballen seiner geschmeidigen Tatzen. Das alles bemerkte der kleine Jäger nicht. Seine Haltung und jeder Muskel seines Körpers waren angespannt, sein Blick fixiert auf die fliehende Beute. Das Wildkaninchen schlug ein paar Haken und gewann an Vorsprung. Der Jäger blieb dran, verfolgte sein Ziel bis es ganz plötzlich vor ihm verschwand. Mit zwei weiteren großen Sätzen erreichte der schwarze Kater den Kaninchenbau, wo sich seine erhoffte Beute in Sicherheit gebracht hatte. Er steckte den Kopf in die kleine Öffnung, sie war zu eng für ihn! Dem Kaninchen konnte er dort hinein nicht folgen. Mit seinen Vorderpfoten scharrend versuchte er den Eingang zu vergrößern, doch hart gefrorener Boden und Wurzelwerk verhinderten sein Vorhaben.
Das kleine Kaninchen war entkommen. Fürs Erste. Der Kater hockte sich seitlich vor die Öffnung des Kaninchenbaus. Solch ein Fang würde ihm den Tag versüßen und ihn bis morgen Abend satt machen. Geduldig wartete er ab, ob das Kaninchen den Bau durch diesen Gang wieder verlässt. Er wartete lange. Die Kälte durchdrang irgendwann sein dichtes, schwarzes Fell. Trotz vielversprechendem, sonnigem Start in den Tag hatte sich der Himmel wieder zugezogen und jetzt fielen dicke, nasse Schneeflocken die auf seinem Fell schmolzen. Sein Hunger war groß aber das war nicht neu für ihn, denn er war tagelanges Hungern gewöhnt. Diese Jahreszeit war immer schwierig für ihn und seine Streuner-Kumpels hier am See. Auch Beute macht sich in den Wintermonaten rar.
Die Magie des Eises
Schnee, Sonne und das Eis auf dem Teich zogen die Katzenfamilie Schulz in ihren Bann. Es war nicht mehr windig, die Sonne schien aus blauem Himmel und Fräulein Schulz, Angus, Mary und Taxi fanden es draußen im Garten nicht mehr so garstig. Der Teich hatte noch an Anziehungskraft gewonnen, denn an einigen Stellen war der Schnee vom Wind der letzten Tage verweht worden und die Katzen konnten durch die Eisschicht hindurch die Fische im Teich beobachten. Während sich Schulzi und Taxi lieber am Rand aufhielten, spielte Mary die Rolle der Eistänzerin. Schon auf Mallorca hatte sie es geliebt, auf die mit Nachtfeuchte bedeckten Autos zu klettern und vom Dach über Windschutzscheibe und Motorhaube hinunter zu rutschen. Auch eine glatte Plane, die die gerade Fläche um ein aufblasbares Planschbecken bedeckte, bereitete ihr damals schon Vergnügen, wenn diese nass war.
Dann rannte sie schnell darauf zu und versuchte auf der nassen Fläche zu stoppen, wodurch sie ins Rutschen geriet. Ein großer Spaß, aber die Eisfläche hier war die Krönung für Mary. Sie rannte ein paar Meter, stoppte abrupt und ließ sich dann über die Fläche gleiten. Noch viel schöner war es, wenn Angus dabei mitmachte. Sie spielten Fangen, wirbelten den klumpigen Schnee auf und rutschten dabei meterweit über das Eis.
Schicksalswege eines Katers
Es war eine dieser milden Herbstnächte als Mikesch den Entschluss fasste etwas weiter vom Hof weg zu gehen als sonst, um nach einem Katzenweibchen zu suchen. Etwas lag in der Luft, das seinen Trieb verstärkte. Er wusste noch nicht was, aber er musste diesem Instinkt folgen und lief, wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen in östliche Richtung. Drei Tage war er bereits unterwegs als ihm ein betörender Duft in die Nase zog. Beinahe gleichzeitig erreichte er ein kleines Dorf mit einigen wenigen Häusern, nahe am Ufer eines Flusses. Wie ein Magnet zog ihn der Duft zu einem kleinen roten Backsteinhaus dessen Vorgarten von einer kleinen roten Backsteinmauer eingefasst war. Und diese kleine rote Mauer roch nach ihr. Überall fand er ihre Markierungen und besonders intensiv roch die Fußmatte an der Eingangstür zum Haus. Hier würde er erst wieder weggehen, wenn er dieses wunderbar duftende Wesen gefunden hätte. Und damit auch sie ihn finden konnte hinterließ er für sie sein körpereigenes Parfüm überall dort, wo er ihres riechen konnte. Einen kleinen Extraspritzer setzte er gegen die Haustür, vielleicht in der Hoffnung, dass sie ihn auch von dort drinnen erschnuppern könnte, falls sie im Haus wäre. Nun hieß es warten. Mikesch durchkreuzte den Garten, beschnupperte Schuppen, Garage, Terrasse und dann… ja, dann sah er sie. Sie posierte direkt hinter einer großen, bodentiefen Fensterfront. Dort saß sie, artig den Schwanz um die Vorderpfoten gelegt und sah ihn aus bernsteinfarbenen Augen an. Ihr Fell schimmerte silbergrau mit einem dunklen Tigermuster. Er wäre sofort zu ihr hereingestürmt, wenn er denn gekonnt hätte. Doch das große Fenster war verschlossen und auch sonst hatte er keinen Zugang zum Haus gefunden, durch den er hätte eindringen können. Menschen konnte er keine entdecken, weder im Haus noch hier draußen im Garten. Seine Angebetete war das Schönste, dass er seit langem gesehen hatte. Und jetzt öffnete sie ihre Schnauze zu einem Miau, dass er zwar nicht hören konnte, was ihn aber dennoch verrückt machte. Und nun, als wäre es noch nicht genug, ließ sie sich zu Seite fallen, rollte auf die Seite und streckte ihm lasziv ihre Vorderpfoten entgegen.
Sie tobten über die Wiese, spielten fangen auf dem benachbarten Friedhof. Eine große Katzenliebe war entfacht und die beiden kosteten den Rausch mit der ganzen Kraft ihrer Jugend vollkommen ungestört aus. Es ging viele Tage so. Morgens, wenn die Dame und der Herr des Hauses selbiges verließen, hatten sie vorher die Katzenklappe für ihren Tiger aufgesperrt, so dass die Katze ungehindert hinaus und auch wieder hinein ins Haus konnte. Und nach zwei Tagen hatte Mikesch den Trick raus, wie er seiner Herzensdame ins Haus folgen konnte. Er musste nur nah genug hinter der Katze bleiben und rechtzeitig seine Nase unter die Klappe schieben, damit diese nicht schließen konnte sobald der Tiger hindurch geschlüpft war. So war es ihm auch möglich, von dem reichlich für die Katze bereit gestellten Futter zu partizipieren. Seine Liebste überließ ihm gern einen ordentlichen Anteil. Auch ihre Schlafplätze durfte er mit ihr teilen, wenn ihnen danach war. Doch die meiste Zeit verbrachten sie gemeinsam draußen bei ihrem katzenüblichen Liebesspiel. Nachts blieb die junge Dame im Haus, denn dann wurde die Klappe für Ein- und Auslauf gesperrt. Ein Ruf der Hausherrin genügte, um die Katze ins Haus zu locken. Mikesch schlief dann im Schuppen um morgens seine Romanze mit der hübschen Silbertigerin fortzusetzen. Nur am letzten Abend war alles anders. Sie benahm sich anders, sie roch anders. Schon im Laufe des Tages hatte sie seine Paarungsversuche mehrfach abgewiesen und sich einfach nur verschmust an ihn geschmiegt. Sie reagierte nicht auf den Ruf ihrer Besitzerin, sondern blieb stattdessen im Schuppen neben ihm liegen. Sie leckte sein Fell und es war als ob sie ihm erklären wollte, dass ihre Romanze nun zu Ende war. Sie würde bald ein oder mehrere Babys von ihm bekommen und diese groß ziehen. Sie freute sich darauf und versprach ihm, dass er in einigen Monaten wiederkommen dürfe. Aber bis dahin war es nun Zeit für ihn zu gehen. Als der Ruf ihrer Besitzerin zum dritten Mal zu hören war, verließ sie Mikesch und den Schuppen und auch er wusste genau, dass ihre intensive, gemeinsame Zeit nun zu Ende war.
Er saß im Schuppen und fühlte sich einsam. Nach Wochen dachte er zum ersten Mal wieder an seinen Bruder Garfield, an den Hof auf dem er geboren war und an die Familie, die ihn dort versorgt hatte. Auch zu den Hündinnen Bella und Dora flogen seine Gedanken. Zeit, den Heimweg anzutreten! Aber wie? Er hatte sich den Weg hierher, in das Dorf in dem er seine erste Liebe gefunden hatte, nicht gemerkt. Er kannte nicht einmal die Richtung aus der er gekommen war, wusste nicht wie weit er gelaufen war. Trotzdem machte er sich auf den Weg. Ein hübscher, stolzer Kater, der zwar noch jung aber inzwischen erwachsen war.
Zwei Jahre dauerte sein Heimweg. Er lief kreuz und quer durch Wälder, Dörfer über Schnellstraßen und riesige Felder. Er traf auf liebe Menschen, die sich um ihn kümmerten, ihm zu fressen gaben und ihn bei sich aufnahmen. Aber er blieb rastlos und zog nach Tagen oder Wochen weiter und vergaß zwischendurch wohin er denn eigentlich wollte. Er lernte andere Katzen und Kater kennen. In der einen oder anderen Kolonie verweilte er einige Zeit aber diese Begegnungen waren meist von Kampf und Verletzungen geprägt. Auch über Menschen musste er lernten, dass nicht alle nett sind und es gut mit ihm meinen. Anfang Oktober, ziemlich genau zwei Jahre nach dem er seine Suche nach dem Abenteuer gestartet hatte, erreichte er den Ort seiner Geburt. Die Sonne war bereits untergegangen und er war selbst ein wenig überrascht, als ihm klar wurde, wo er hier war.