Clarissa Benneten
Clarissa Benneten

Auf Mallorca kommt eine Katze selten allein.

 

Sie wollte nicht, dass Frl. Schulz ihre Babys irgendwo draußen in der Wildnis zur Welt brachte, denn in dem Fall konnte sie ihrer Katze nicht helfen, falls es problematisch würde. Ihren Kummer teilte sie Ulf mit, der wie immer in Sachen Katze und auch sonst sehr großzügig zustimmte, dass die Babys auch im Haus geboren werden könnten, wenn es denn dazu käme.

 

Es kam dazu. Schulzi begann Anfang September zu nesteln. Sie suchte nach einer Möglichkeit im Haus, wo sie den Wurf sicher bekommen und damit bleiben konnte. Kein Schrank war mehr vor ihr sicher. Sobald sie sah, dass irgendwo eine Schranktüre oder eine Schublade offen war, stieg sie hinein, um sich zu vergewissern, ob dieses oder jenes Plätzchen als Nest für sie und ihre Kinder taugte.

 

Anna räumte das unterste Fach des Garderobenschranks leer, deponierte eine Badewanneneinlage da drin, ließ den Schrank einen großen Spalt weit offen und beobachtete Frl. Schulz mit Argusaugen. Sie fand es geradezu fantastisch, wie das Tier sich, nur durch seinen Instinkt geleitet, auf die Geburt seiner Babys vorbereitete. Ulf hatte eine Möglichkeit geschaffen, wie Schulzi jederzeit durch ein Fenster ins Haus und wieder hinaus kommen konnte, wovon sie auch sofort regen Gebrauch machte.

 

Wie bestellt, war es an einem heißen Sonntagmittag, Ende September soweit. Frl. Schulz lief unruhig durch das Haus, ging kurz raus, kam wieder rein, kühlte sich auf dem Fliesenboden im Haus und beschnupperte nochmals alle infrage kommenden Körbe, Regale und den präparierten Schrank. Als die Wehen einsetzten, folgte sie Anna ins verdunkelte Esszimmer zu einem Körbchen und rollte sich dort zusammen. Ab und zu miaute sie und schaute Anna ängstlich an.

 

Miezi wusste instinktiv, was jetzt mit ihr geschah. Aber solche Schmerzen hatte sie nie zuvor gehabt. Sie konnte nicht ruhig liegen. Immer wieder musste sie sich auf dem kalten Fliesenboden abkühlen und noch war sie unschlüssig, ob sie ihre Babys hier, geschützt im Haus oder draußen in einem ihrer Verstecke, die sie gefunden hatte, bekommen sollte. Anna redete beruhigend auf sie ein. „Ich bin ja da“ sagte sie und streichelte über Schulzis Bauch. Sie hatte Ulf, der sich draußen im Garten zu schaffen machte Bescheid gesagt, dass es wohl gleich soweit ist, damit er nicht aus Unwissenheit gerade jetzt ins Haus platzt. Es konnte ja niemand wissen, für welchen Geburtsort sich Frl. Schulz entscheiden würde.

 

Aber noch blieb Schulzi nicht in dem Korb im Esszimmer. Anna war kurz in die Küche gegangen und Schulzi folgte ihr. Dann stellte sie sich vor die Terrassentür, was so viel hieß wie bitte lass mich raus. „Bist Du sicher?”, fragte Anna die Katze, die sie mit großen, ausdrucksvollen Augen ängstlich ansah. Und Anna wusste, dass es nicht sinnvoll war, gegen den Willen der Katze zu handeln. Nach ein paar bittenden Miaus, öffnete sie die Tür und Schulzi ging unschlüssig hinaus auf die Terrasse. „Bleib hier bei mir kleines Katzenfräulein“, bettelte Anna, “ ich kann dir doch helfen. Komm ich helfe Dir.“ Und als ob sie es verstanden hatte, hielt die Katze inne, blickte Anna an, wendete und folgte ihr wieder ins Haus. Anna holte das Körbchen aus dem Esszimmer ins Wohnzimmer und stellte es direkt vor sich hin, so dass sie Schulzi vom Sofa aus den Bauch streicheln konnte. Und ihre Katze legte sich hinein, auf die Seite. Sie miaute und presste und miaute und presste und Anna streichelte ihren Bauch und dann plötzlich, mit einem lauten Aufschrei des Schmerzes, sprang Frl. Schulz aus dem Korb und presste im Sprung ihr erstes Katzenkind aus sich heraus. Erschrocken und erfreut zugleich beobachtete Anna, wie Frl. Schulz sich dem kleinen undefinierbaren etwas, dass auf den Steinboden gefallen war, zuwandte. Sie beschnupperte es, leckte es ab, nahm es im Genick und trug es ohne Umweg direkt in den von Anna vorbereiteten Garderobenschrank.

 

Annas Herz klopfte gewaltig. Schließlich war es auch für sie die erste Katzengeburt, die sie miterlebte. Alles ging so blitzschnell. Nur wenige Sekunden hatte es gedauert von dem Moment in dem das Kitten aus dem Mutterleib herausschoss bis Frl. Schulz es in den Schrank getragen hatte.

 

Und schon hörte Anna das leise fiepen des Neugeborenen. Mie, mie, mie.. Sie wischte das bisschen Blut und den Schleim vom Fußboden und entschied sich, ihrer Katze jetzt erst einmal Ruhe zu gönnen. Sicher hatte die genug damit zu tun, ihr erstes Baby sauber zu lecken und zu säugen. Ja und bestimmt wartete in ihr noch mindestens ein weiteres kleines Wesen darauf, ins Leben geholt zu werden.

 

 

Wenig später, an einem sonnigen Sonntagmorgen war Frl. Schulz wieder zum Fressen erschienen. Aber dieses Mal lief sie nicht sofort wieder weg. Sie setzte sich auf die Terrasse und rief mit lautstarkem Miau nach Anna. Als diese zu ihr kam, ging sie ein paar Meter in Richtung Feld, den Schwanz hoch aufgerichtet. Sie sah sich nach Anna um, wartete bis diese ihr folgte. Immer wenn Anna bis auf ein oder zwei Meter herankam lief sie ein Stückchen weiter, wartete, lief weiter. Dabei stieß sie helle gurrende Laute aus. Langsam wurde Anna klar, was ihre Katze vor hatte. Sie wollte jetzt, dass Anna weiß wo ihr Nest ist. Und tatsächlich. Schon fast am Nachbargrundstück, gut vierzig Meter vom Haus entfernt, blieb Frl. Schulz sitzen und schnupperte am Gestrüpp. Wieder hörte Anna das Fiepen der Kleinen. Hier lag unter wildem Gestrüpp ein freigespülter, dicker Felsstein unter dem sich durch Unterspülung eine kleine Höhle gebildet hatte, kaum größer als Miezi selbst. Und dort konnte Anna, durch das nicht ganz so dichte Gestrüpp die drei winzigen, aneinander gekuschelten Körperchen der Katzenbabys sehen.

 

Gerührt streichelte Anna Frl. Schulz und lobte sie. Doch gleichzeitig sorgte sie sich, was wohl passieren würde, wenn ein plötzlicher Regenschauer einsetzt. Das konnte das Ende der kleinen, immer noch fast blinden Fellkneuel bedeuten. Trotzdem entschied sich Anna, nicht einzugreifen. Ihre Katze wusste scheinbar ganz genau, was sie zu tun hatte und würde ihre Kinder auch vor schlechtem Wetter zu schützen wissen.

 

Gegen Ende Oktober, es hatte zwischenzeitlich schon einige Regenfälle gegeben, entdeckte Anna eines ganz frühen Morgens Frl. Schulz im hohen Gras neben dem auf Paletten gestapelten, abgedeckten Brennholz. Und neben ihr tollte ein kleines, graues Fellknäuel. Ein schwarzes sprang auf wackeligen Beinchen dazu. Als Anna sich langsam näherte, entdeckte sie auch das dritte kleine Kätzchen, das sich unter einer der Paletten versteckte, weil es Anna bereits hatte kommen gesehen. Inzwischen waren die Drei schon vier Wochen alt und guckten mit hellen blauen Augen in die Welt.

 

Spielen, toben, trinken und schlafen war alles, was sie wollten und Mama war immer dabei. Es war keine leichte Aufgabe für Frl. Schulz, die drei beisammen zu halten. Beobachten konnte man sie nur aus sicherer Entfernung. Kamen Anna oder Ulf ihnen zu nahe, versteckten sich die Kleinen sofort unter den Paletten. Nur Mamakatze Schulz blieb dann zwischen den Stapeln unter der Abdeckplane sitzen. Schnell fiel auf, dass das kleinste Kätzchen, das vollkommen schwarze, am mutigsten war. Obwohl seine winzigen Beinchen noch gar nicht recht so wollten wie es selbst, war es ständig im Laufschritt unterwegs. Es sprang seine Mama und die Geschwister an und tollte auch dann noch wild im Gras herum, wenn die beiden anderen sich längst ängstlich im Schutz der Palette oder hinter Mama versteckten.

 

Schnell hatte es seinen Namen weg: Ulf rief es Taxi. Taxis Schwesterchen glich seiner Mama wie ein Ei dem anderen. Da es bereits einer Freundin versprochen war, tauften Anna und Ulf es wunschgemäß auf den Namen Mary Anne. Das kräftigste Katzenkind, ein Katerchen, hatte eine sehr außergwöhnliche Fellfärbung, die an einen grauen Norwegerpulli oder eher noch an einen Waschbären erinnerte. Dazu trug es weiße Schuhe vorn, weiße Stiefel hinten und wie bei Mama und Schwester Mary Anne war Bauch und Kragen sowie ein Teil des rosa Näschens weiß. Ulf und Anna tauften es auf den Namen Angus, nach dem Sänger von Ulfs Lieblingsrockband AC/DC.

 

Anna hatte ein paar Mal versucht, eines der Kitten einzufangen. Aber dazu hätte sie die Holzstapel abtragen müssen, denn unter den Paletten kam sie nicht ran. Und auch Ulf hatte bisher keine Chance bekommen, die Kleinen einzufangen.

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